Sonntag, 30. September 2007

Phoebe Washburn

ist eine junge Amerikanische Künstlerin, welche berühmt dadurch wurde, dass Sie scheinbar wertlose Gegenstände sammelte um diese in der Kunst zu recyceln. In ihren Installationen entstehen aus Pappkartons, Holzplanken und Glasflaschen riesige Rauminstallationen, welche sie ebenso riesigen Themen widmet: Nachhaltigkeit, Umweltschutz oder eben Recycling.

Für die Deutsche Guggenheim hat sie nun ein weiteres Projekt verwirklicht. Auf einem Förderband, wie es sonst nur in einer großen Industriehalle zu finden ist, hat sie Gras angebaut. Vom Samen über verschiedene Stadien des Wachstums bis zur Vertrocknung auf dem Dach des Guggenheims kann so ein Zyklus des Entstehens und Vergehens beobachtet werden.

Das besondere daran ist, dass dieser Vorgang in der Natur lediglich in einer zeitlichen Abfolge zu betrachten ist. In Phoebe Washburns Installation können alle Stadien der Existenz des Grases gleichzeitig betrachtet werden. Auch das vertrocknende oder vertrocknete Gras wird ausgestellt. [1]


In jenem Moment in dem das Gras vertrocknet ist, kann man es mit Abfall vergleichen. Abfall befindet sich für gewöhnlich immer in einer Sphäre des Verborgenen. Auf der Mülldeponie, im Abfalleimer oder im Weltall. Erstmals dass auch dem Abfall in seiner reinen, nicht recycelten Form ein Platz geschaffen wird.

Aus vertrocknetem Gras wird Erde. Nahrung für neue Samen. Die Natur kann sich selbst recyceln. Wir Menschen müssen unseren Müll verstecken bis wir ihm neuen Wert geben, ihn recyceln - in der Kunst zum Beispiel.


Bildquellen:

[1] Portrait von Phoebe Wasburn http://www.db-artmag.de//2006/7/d/1/491.php [27.09.2007]

Spam II

Michael Thompson der Autor von Mülltheorie – Über die Schaffung und Vernichtung von Werten spricht davon, dass Güter im Idealfall ewig halten und ihr Wert im Lauf der Zeit zunehme[1]. Diese Güter ordnet Thompson in die Kategorie des „Dauerhaften“[2] ein.
Nebst dieser Kategorie allerdings führt er auch die Rubriken „Vergängliches“[3] und „Müll“[4] ein. Diese drei klassifizierenden Ordnungen entsprächen einem „dynamische[n] Kategoriensystem“[5], welches „Produktions- und Konsumtionsprozesse“[6] verknüpfe.
Daher sei es auch möglich, dass Objekte ihre Kategorie wechselten. Er räumt ein, dass es eine tatsächlich dauerhafte Kategorie unter physischen Gesichtspunkten natürlich nicht existieren könne, so müssten Dinge nur lange genug existieren um in diese eingeordnet zu werden.
Allerdings seien die Gegenstände der Kategorie „Dauerhaft“ diejenigen, welche einen besonders hohen ökonomischen Wert besäßen. Hinzukommend vermutlich auch dadurch, dass sie während ihrer langen ‚Lebensdauer’ eine metaphysische Aufladung erhielten.
Produziert werde also für die Kategorie des „Vergänglichen“. Insofern ein Produkt diese Kategorie ‚überlebe’, so könne es in die Klassifizierung des „Dauerhaften“ aufsteigen – alles andere sei „Müll“.
Aber gibt es nicht auch Dinge welche direkt für die Kategorie „Müll“ produziert werden? Verpackungen, der Konstanzer Anzeiger oder Chinesisches Plastikspielzeug beispielsweise. Sicherlich, auch hierbei gibt es Ausnahmen: Menschen die Verpackungen sammeln oder daraus Kunstwerke basteln, Menschen die den Konstanzer Anzeiger lesen und Kinder die mit Chinesischem Plastikspielzeug spielen müssen. Gesetz dies sei tatsächlich der Fall, so lehrt das dynamische Modell, werden diese Güter auch nicht für die Kategorie „Müll“, sondern (in der Wahrnehmung eines Individuums) für die Kategorie „Vergängliches“ produziert und haben dann wiederum die Möglichkeit aufzusteigen in die Kategorie des „Dauerhaften“.
Auf meiner Suche nach einem geeigneten Beispiel der Kategorie „Müll“ stoße ich auf 340 ungelesene e-mails. Unzählige Russische Frauen, die mich kennenlernen wollen schreiben mir, Kasinobetreiber des Royal Casinos (wo auch immer das sein möge) bieten mir Rabatte und unbeschreibliche Gewinnchancen, Menschen, welche sich über meinen Besuch gefreut haben danken mir und Kanadische Pharmazeuten bieten mir Blaue Pillen an – damit auch mein Penis endlich wieder Spaß im Bett hat.
Ich bin zu tiefst entzückt und freue mich über so viele nette Freunde auf der ganzen Welt. Nein, nicht wirklich! Viel mehr ärgere ich mich, dass der web-account der Universität Konstanz nicht über die Funktion „alle löschen“ verfügt und ich somit jede e-mail einzeln markieren muss, um diese zu löschen.


Sind diese mails nicht ein Produkt der Kategorie „Müll“ und werden Sie nicht auch für genau diese produziert? Oder gibt es tatsächlich Personen, die Kanadische Pharmazeutika auf Grund einer e-mail eines ihnen nicht bekannten Verfassers bestellen? Und was ist eigentlich das besondere an Kanadischer Pharmazeutika?
Ich bezweifle, dass es all die angepriesenen Produkte und Personen tatsächlich gibt, was auch die Kategorisierung dieser erschwerte. (Leider habe ich mich nicht getraut, diese Frage einer Verifizierung zu unterziehen, denn vielleicht sitzt ja tatsächlich ein hübsches Mädchen in Smolensk, welches nur auf meinen Anruf wartet?!)
Doch welche Rolle nimmt Müll ein, der Bestandteil eines Produktes ist, das es gar nicht gibt? Eine Farce. Der Geist eines nicht vorhandenen Objekts. Als könne man im Supermarkt Packungen kaufen, die keinen Inhalt besäßen. Dosen Berliner Luft verkaufen sich ausgezeichnet an Berliner Souvenirständen. Doch besitzen diese Blechdosen, wenn auch keinen Fassbaren, einen symbolischen Inhalt. Diese Dosen sind nicht leer.
Wenn diese mails allerdings tatsächlich keinem der Realität referierendem Objekt zugehörig sind, können sie dann Müll sein? Oder können sie nur Müll sein, insofern es die ganzen Blauen Pillen tatsächlich gibt?
Ich denke, dass Müll lediglich als (für ein Individuum) unbrauchbares Nebenprodukt eines wahrhaftigen Objekts bestehen kann, ansonsten wird selbst zum Gegenstand einer anderen Kategorie.
Verweist das nicht auf die Sinnlosigkeit dieses Modells? Liegt es nicht immer im Auge des Betrachters, was „Müll“ ist und es„reinen Müll“ gar nicht gibt? Dinge können nicht für die Kategorie "Müll" produziert werden, sie können als Abfallprodukt in Erscheinung treten oder ihren (an die Wertung eines Individuums geknüpften) vergänglichen Wert verlieren, um somit zu "Müll" zu werden. Ebenso wie Objekte des "Dauerhaften" nur aus der Kategorie des "Vergänglichen" resultieren können. Thompsons Modell kann also nicht nur, sondern ist immer dynamisch. Denn auf seiner Dynamik beruht die Existenz der Kategorie "Müll". Wohingegen die Kategorie des "Dauerhaften" eine überwiegend zeitliche Dimension besitzt.
Es geht hierbei nicht um eine objektive Kategorisierung. Thompsons Modell ist lediglich ein Konsenz des gesellschaftlich Vereinbarten. Die letzte Entscheidungsgewalt trägt der Einzelne und macht seine persönliche Kategorisierung auf Grund einer metaphysischen Aufladung der Gegenstände.
Es soll ja schließlich Menschen geben die den Konstanzer Anzeiger lesen und wiederum solche, die Blaue Pillen kaufen.


[1] Michael Thompson, Mülltheorie – Über die Schaffung und Vernichtung von Werten (Essen: Klartext-Verlag, 2003), S. 123
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] Ebd.
[5] Ebd.
[6] Ebd.

Spam I



[1]http://www.protonkiller.de/assets/images/Trash_ja.gif [27.09.2007]

Trash Film

Um meine vorangegangene Aussage der gesellschaftlich vereinbarten dritten Ebene zu untermauern: Bei Arte gibts jetzt auch Trash! Nein, sie bringen nicht die Wiederholungen von Vera am Mittag, sondern haben speziell als "Trash-Filme" ausgewiesene Filme in ihr Programm genommen.
"Mit schrillen, bunten, frechen, provokativen, oft schnell und billig produzierten Werken wagt sich ARTE ab Januar 2007 immer donnerstags auf ein im Fernsehen noch relativ unerforschtes Terrain und zeigt Filme der besonderen Art, mit Science Fiction, Horror, Erotik, Gewalt, aber auch schrägem Humor, Satire und Nonsense." [1]

Na dann, gute Unterhaltung!

[1] http://www.arte.tv/de/film/kino-auf-ARTE/Trash-Filme/1121074.html [26.09.2007]

Prima Geschmack?

Franziska Roller hat in „Trash Couture“ festgelegt was guter und was schlechter Geschmack ist und wer die Menschen sind, die ihn besitzen und welche nicht.
Auf einer ersten Ebene gebe es Personen, der vermeintlichen Unterschicht, die Gefallen an all jenen Kulturprodukten besäßen, welches ihnen Amüsement und Freuden bereite. Diese besäßen einen „Notwendigkeitsgeschmack“[1], fänden Gefallen an allem was Gemütlichkeit und Wohlbefinden hervorrufe, unabhängig von einer „intellektuelle[n] Auseinandersetzung mit Ästhetik“[2].
Auf einer zweiten Ebene sei da ein Personenkreis zu nennen, welcher all das liebe, von dem gesellschaftlich vereinbart worden sei, dass es hochwertig und gehaltvoll sei. Die eigene finanzielle Begrenztheit werde durch Arroganz ausgeglichen und die finanzielle Unbegrenztheit der Anderen als „Angebereie[] kulturloser Neureicher“[3] abgetan.
In einer letzten Gruppe befänden sich Menschen, die über den bürgerlichen Bildungskanon genau bescheid wüssten, es jedoch als Freude empfänden gegen die Regeln des guten Geschmacks zu verstoßen. Trotz dessen, dass sich diese Menschen in keiner Kongruenz mit den bürgerlichen Geschmacksidealen befänden und deren Lebensvorstellungen als ihnen zu wider empfänden, behielten sie deren Verhaltensmuster bezogen auf den Umgang mit Kulturgütern bei. Sie „wenden […] die erlernten Kriterien aus der Ebene zwei einfach für Dinge an, die normalerweise aus diesen Bewertungskriterien ausgeschlossen werden.“[4] Der wahre Genuss stelle sich für diese Personen in jenem Moment ein, in dem sie eine „Diskrepanz“[5] zwischen den eigenen Vorstellungen dessen was schön sei und jenen des gesellschaftlich / bürgerlich vereinbarten auftue.
Doch der Geschmack an Kulturprodukten und Lebensstilen der dritten Ebene schockiert nicht wirklich, denn er funktioniert nur in seiner nicht völligen Loslösung des gesellschaftlich Vereinbarten, was ihm zum Verhängnis wird, da er nichts wirklich Neues hervorbringt, sondern nur schon da gewesenes rekontextualisiert und recycelt. Dieser Geschmack ist immer auch mit Selbstdarstellung verbunden. Der eigene erhabene Geschmack der dritten Ebene wirkt nur als solcher, in Abgrenzung zum Anderen.
Diese Menschen mögen vermutlich orangene Hosen zu türkisen Pullovern und gelben Schals tragen. Doch werden sie auch darauf bedacht sein müssen, dass ihr Wissen über das gesellschaftlich vereinbarte offensichtlich wird und ihre Kleidungswahl nicht dem Anschein der Zufälligkeit unterliegt. Indem die Materialien der Kleidung beispielsweise einen besonders hohen Wert haben oder indem Einzelstücke angesehener Marken kombiniert werden mit No-Name Produkten oder denen von Discount-Kleidungsgeschäften.

Es muss immer eine Rekontextualisierung stattfinden, die sich den Produkten der ersten und des Understatements der zweiten Kategorie bedient. Marcel Duchamps „La Fontaine“ funktionierte nur im musealen Kontext. Im Museum einer Einrichtung des Bürgertums fand der industriell gefertigte Gebrauchsgegenstand der Toilettenschüssel seinen neuen Platz.
Doch es tut sich keine Diskrepanz dieser dekonstruktivistischen Verhaltensweisen und denen des Bürgerlichen mehr auf, da auch diese mittlerweile gesellschaftlich vereinbart wurden. Pinke Hirschgeweihe sind in jedem gut sortiertem Kaufhaus käuflich zu erwerben. Geschmäcker und Lebensvorstellungen schockieren nur solange sie neu und vermeintlich avantgardistisch sind. Doch Postmoderne ist irgendwie auch vorbei. Es müssen nicht noch mehr Barbie-Köpfe auf Holzbretter genagelt werden.
Auch wenn Franziska Roller ihre Kategorisierung von der „vielzitierte[n] postmoderne[n] Beliebigkeit“ abgrenzen möchte, so mag, was sie beschreibt sicherlich nicht beliebig – doch eindeutig postmodern sein.


[1] Franziska Roller, Trash Couture in: dies: Abba, Barbie, Cordsamthosen, Ein Wegweiser zum prima Geschmack (Leipzig: Reclam, 1997) S.198
[2] Ebd.
[3] Ebd. S.199
[4] Ebd. S.200
[5] Ebd.

Bildnachweis:
[1]Marcel Duchamp "La Fontaine" http://www.ac-nantes.fr:8080/peda/disc/arts/artsplastiques/image/images/duchamp.jpg [27.09.2007]

Und darf man sich ein Arschgeweih auch mit Edding auf den Rücken malen?



[1] http://www.wildmaler.ws/j_hirsch-gemaelde/traenke.jpg [27.09.2007]

Urlaubserinnerungen - Trash Around The World








Donnerstag, 6. September 2007

Crap

Die Sonne scheint. Grund um ein großes Laken, Sonnenöl, eine Diät-Cola und die Gala einzupacken um einen Tag unter Mädchen im Strandbad zu genießen.
Meine Freundin hat ebenso Sonnenöl, ein großes Laken, dazu Äpfel, Bananen, Karottenschnitze und … ein Reclamheft, welches angeblich den Foucault Reader zusammenfassen soll, irgendwas von Hegel, ein Buch über Ikonen des nahen Ostens und die aktuelle Ausgabe der Art eingepackt?

„Leider habe ich meine Texte französischer Philosophen der Gegenwart zu Hause vergessen. Ich glaube Du hast das mit der vorlesungsfreien Zeit - der Zeit, endlich mal zu lesen, was einem Vergnügen bereitet, falsch verstanden. Möchtest Du etwa eine Hausarbeit am Hörnle schreiben? Wenn Du doch wenigstens den neuen Harry Potter eingepackt hättest.“ Ich fühle mich intellektuell denunziert.

Ich solle doch nicht so eine Mimose sein und mal herzeigen was ich eingepackt habe. „Die Gala? Das ist doch crap!“

Bei einem Blick auf die Art habe einzuwenden, dass doch Kunst im Allgemeinen, als auch im Speziellen crap sei.

Wie ich dazu käme, so etwas zu behaupten, wo ich doch bekanntermaßen kein großes Interesse an der Materie hege.

„Hier, das da zum Beispiel. Hegel. Was Du da liest - Vorlesungen über Ästhetik - das ist zweihundert Jahre alt. Völlig überholt. Ich denke, der ganze Kunstdiskurs wird der ganzen Kunst der Gegenwart nicht gerecht. Klar könne man einen Eugène Delacroix unter dem Gesichtspunkt von Wahrheit und Schein analysieren. Aber dieses ewige herumkrebsen um die Frage danach, was denn letzten Endes Kunst sei, das führt doch zu nichts.“

„In der Art geht’s um die documenta. Da kannst Du Dir anschauen, was Kunst ist. Es ist ja nicht so, dass nur weil man sich bei einer epistemologischen Begriffsklärung noch nicht einig wurde, nicht trotzdem massenhaft Kunst produziert würde. Und es ist ja auch nicht so, dass es in der Kunst kein Klassifizierungssystem gäbe. Es gibt sehr wohl ‚gute’ Kunst und ‚schlechte’ Kunst. Kunst die auf der documenta ausgestellt wird, und solche die es nicht wird.“

„Die documenta sei „völlig überkuratiert“ steht da. Wie herrlich selbstreflexiv ihr Kunstwissenschaftler doch immer seid. Ist es nicht die Aufgabe einer solchen Ausstellung zu kuratieren? Euch fällt aber auch immer was Blödes ein. Und demnächst sprecht ihr von der Ikonographie der Blindenschrift.“

Ich ernte einen missgünstigen Blick. „Schau halt mal weiter.“

„Ja, oder hier: Diese Reisterassen, die nicht wuchsen. Das ist crap! Was soll denn das? Die erfüllen doch gar keinen Zweck und was daran Kunst sein soll verstehe ich auch nicht. Glaubst Du in China stellen sie einen kaputten Fleischwolf aus und behaupten das das Kunst sei?“
[1]

„Vielleicht. Wer weiß? Aber das ist ja auch gar nicht die Aufgabe von Kunst. Sie muss doch keinen Zweck erfüllen, vergleichbar mit dem Zweck oder der Aufgabe einer Maschine. Kunst diente im Groben schon immer nur dazu den Künstler oder den Auftraggeber zu präsentieren. Wenn man Kunst überhaupt so rational betrachten kann.“

„Aber muss Kunst denn dann nicht auch was hermachen? Ich meine, wenn Kunst jemanden präsentieren soll, muss sie denn dann nicht auch schön sein, oder wenigstens handwerklich gut gemacht? Was ist denn mit ‚Kunst kommt von können’? Der Reis ist ja nicht mal angegangen.“

„Der nicht angegangene Reis und dieser Turm aus chinesischen Holztüren, der einstürzte, sind das nicht genau die Objekte, die in Erinnerung bleiben? Die die documenta 12 und den Kunstbegriff unserer Zeit mehr als jedes andere Objekt repräsentieren? Ich finde dieser Künstler hätte sich gar nicht besser präsentieren können, als mit überschwemmten Reisterrassen.
Ausserdem muss sich Kunst ja nicht unbedingt nur über etwas visuell Wahrnehmbares präsentieren. Denk doch mal an das ‚Haus vom Nikolaus’. In diesem Fall wurde Polke mit Sicherheit nicht für seine Kunstfertigkeit bewundert, sondern dafür, dass er über Kunst nachdachte. Dieses Bild ‚die Frage nach dem Bild’ impliziert. Ich denke ein Künstler der sich Gedanken macht, ist viel weniger crap, als die Hausfrauen-Auquarelle, welche regelmäßig in der Sparkasse ausgestellt werden. Obwohl diese ‚Künstler’ die Kunstfertigkeit vermutlich in etlichen Volkshochschulkursen besser erlernten, als so mancher Künstler sie besitzt.“

„Aber ich mag mich nicht so einfach geschlagen geben: Dieses ganze, ‚in der Kunst über Kunst nachdenken’, also dafür ist Kunst mit Sicherheit nicht gemacht. Das kommt nur den Kunstwissenschaftlern sehr gelegen. Dann können sie wieder daherkommen mit Selbstreflexivität und Zitaten und ein Ende der Zeit ankündigen. Wie kannst Du sagen, Kunst (und wir sprechen ja von bildender Kunst) definiere sich nicht über etwas visuell Wahrnehmbares.

Kunst wird ja auch ver- und gekauft – und nicht nur an Museen, welche vielleicht ein wissenschaftlichen Rahmen dafür bilden. Es gibt ja auch Menschen die ein Schweinegeld für so manches Bild hinblättern um es sich dann … über die Wohnzimmercouch zu hängen, damit sie täglich über die Metaebene der Kunst diskutieren können?“

Mein Gegenüber beginnt herzlich zu lachen: „Ach, gib mir mal deine Gala. Ich glaube das Hörnle ist doch nicht der richtige Ort für solcherlei Diskussionen.
Und da fällt mir ein, ich habe das Buch dabei, welches Du mir ausgeliehen hast: Postmoderne und Dekonstruktion. Texte französischer Philosophen der Gegenwart. Vielleicht hättest Du es lesen sollen bevor Du es verleihst. Insbesondere Sarah Kofmans Die Melancholie der Kunst könnte Dir vielleicht ein paar Fragen beantworten.“

Ich weiß zwar noch nicht, was in diesem Text steht, doch fühle ich irgendwie, dass ich verloren habe.

„Weißt Du wie die Kinder von Bob Geldof heißen? ... Sie heißen Fifi Trixibell, Peaches Honeyblossom und Pixie Frou-Frou.“

Auch ich muss lachen. „Sowas muss man auch nicht wissen. Das ist crap.“


Postscriptum:

For she too was without pity, if not without mercy, in the end, for both Nietzsche and Freud, whom she knew and whose bodies of work she had read inside and out. Like no one else in this century, I dare say. She loved them pitilessly, and was implacable towards them (not to mention a few others) at the very moment when, giving them without mercy all that she could, and all that she had, she was inheriting from them and was keeping watch over what they had—what they still have—to tell us, especially regarding art and laughter. [1]

Jacques Derrida nach dem Selbstmord Sarah Kofmans:

Textquelle:

[1] Jacques Derrida, The Work of Mourning (Chicago & London: University of Chicago Press, 2001), S. 173


Bildquellen:


[1] Die Reisterassen der documenta 12
http://p3.focus.de/img/gen/V/h/HBVhMwJZ_Pxgen_r_467xA.jpg (06.09.2007)

[2] Der zusammengebrochene Turm chinesischer Holztüren der documenta 12
http://data4.blog.de/media/938/1737938_cabd8abea5_m.jpeg (06.09.2007)


[3] Ein Haus vom Nikolaus. Dieses hier von Gabriele Heider. Kuhmist und Acryl auf Leinwand.
http://www.gabriele-heider.de/i/bilder/aussteuer/haus/haus_2.jpg (06.09.2007)


[4] Hausfrauenkunst. Aquarellkatze
http://www.huperzia.de/Katzen/K765.jpg (06.09.2007)