Dienstag, 2. Oktober 2007

Und das möchte ich unbedingt noch loswerden...

...dieser Teil meiner Hausarbeit (über den Schock-Effekt Richard Billinghams Fotografien) fiel dem Rotstift zum Opfer. Doch eigentlich mag ich diese Überlegungen.


Die französische Philosophin Sarah Kofman stellt diese außergewöhnliche emotionale Reaktion des Menschen gegenüber Kunst nicht in den Zusammenhang mit der Wahl eines Motivs, sondern ganz im Gegenteil, in den des Verlusts der Bedeutung eines abgebildeten Objektes[1].
Da Kunst den ‚Geist’ (im Hegelschen Sinne) seltsam verstöre, werde ein philosophischer Diskurs auf der Suche nach Vernunft und Wahrheit (der dargestellten Objekte) geführt[2]. Dieser philosophische Diskurs, welcher über die Kunst reflektiere, führe dazu, „sie uns vergessen zu lassen“[3], wobei allerdings der Bezug zur ‚Wirklichkeit’ nicht gänzlich aufgehoben werden könne. Es bleibe immer ein „Rest“[4]. Dieser Rest sei präsent in seiner Abwesenheit und führe somit zu dem verstörenden Verlust des Objektes als Referenz zur ‚Wirklichkeit’. Wobei ‚Wirklichkeit’ in diesem Kontext mitunter simultan zu ‚Lebendigem’ verstanden werden kann.
„Der fehlenden Bedeutung des […] Objekts entspricht eine A/pathie des Betrachters oder zumindest eine Verwandlung seiner Affekte mit kathartischem Wert: Vergnügen gewinnt er aus dem, was im gewöhnlichen Leben Abscheu und Schrecken hervorrufen würde, das nicht zu tolerierende erträgt er; oder er bleibt gleichgültig vor dem, was Zustimmung hervorrufen sollte; er interessiert sich nicht für die Existenz des […] Objektes, das sich, losgelöst in einer splendied isolation, durch die Magie der Kunst in nature morte, ein Stilleben, verwandelt sieht, gleichgültig was auch Thema [sprich, die Referenz des Objektes] sei:“[5]
Der immer übrig bleibende „Rest“[6] allerdings sei vergleichbar mit einem Wesen der Zwischenwelt. Nach Kofman verhält es sich mit der Kunst zur ‚Wirklichkeit’, wie mit dem Vampir und seinem Opfer. Das Opfer wird der ‚Wirklichkeit’, dem Leben entzogen, doch wird es nicht getötet, darf es nicht von dieser Welt gehen, muss es weiterexistieren in einer Zwischenwelt zwischen Sonnenunter- und Aufgang. Präsent in seiner Abwesenheit.
Eine weitere interessante (wenn auch zufällige) Parallele lässt sich zwischen Kofmans Vampir-Theorie und Billinghams Fotografien ziehen. Denn “vampirism can be followed […] as the other history or the history of the other – as a psychohistory of projection“[7], nämlich die Projektion des Anderen. Historikern zufolge stammten zu jeder Zeit diejenigen Menschen, welche man vornehmlich als zukünftigen Vampir-Kandidaten vermutete, aus dem immergleichen Personenkreis: Dem der gesellschaftlich Ausgeschlossenen. Menschen die zu Lebzeiten anders, unbeliebt oder große Sünder waren seien geeignet um von den Toten zurückzukehren. Insbesondere die Gruppe der Alkoholiker sei hierbei erwähnt.[8] Aus einem Text des ‚wissenschaftlichen Vampirexperten’ Laurence A. Rickels stammt folgender Auszug:
The alcoholic’s literalized intake of inspiration (or spirits) covers identification with some absent (and thus haunting) other. […] the alcoholic has pickled some loss […] that cannot be acknowledged as lost.[9]

Was, wenn nicht dieser nicht genau zu identifizierende Verlust eines Alkoholikers ist Kofmans in seiner Abwesenheit anwesender Rest? Und was, wenn nicht gesellschaftliche Außenseiter sind Billinghams Eltern? Was wenn nicht ein Alkoholiker ist Ray?

[1] Vgl. Sara Kofman, Die Melancholie der Kunst in: Peter Engelmann (Hg.): Postmoderne und Dekonstruktion – Texte französischer Philosophen der Gegenwart (Stuttgart: Reclam, 1990), S. 228
[2] Ebd. S. 227
[3] Ebd. S. 227
[4] Ebd. S. 227
[5] Ebd. S. 228
[6] Ebd. S. 227
[7] Laurence A. Rickels, The Vampire Lectures (Minneapolis/London: University of Minnesota Press 1999) S.2
[8] Vgl. Ebd.
[9] Ebd.

Montag, 1. Oktober 2007

ENDE

Jetzt ist es endgültig vorbei dieses Seminar, die Hausarbeit fertig getippt, das Blog noch schnell ein wenig angereichert und gestern Abend noch letzte Trash! Diskussionen geführt. Es war… wie soll man sagen, sehr speziell.
Einige Texte gefielen mir ausgezeichnet. Insbesondere die Vampir-Texte haben es mir angetan :-) Obwohl ich immer mehr auf Ronja Räubertochter und Michel aus Lönneberga, als auf den kleinen Vampir und die Ghostbusters stand, muss ich doch eingestehen, die anthropologische Dimension der Texte gefiel mir ausgezeichnet. Und wer wollte nicht schon immer einmal einen wissenschaftlichen Text über Buffy und Marylin Manson lesen?
Ich habe festgestellt, dass es unheimlich schwer ist eine (wissenschaftliche) Theorie auf praktische Beispiele anzuwenden. Letzten Endes kann man es halten, wie so mancher Philosoph und die Theorie eine Theorie bleiben lassen oder wie so mancher Dozent und ein Beispiel (auf welches eine Theorie anwendbar ist) heranziehen, wobei bei einem vergleichbaren Beispiel der Theorie dann Hand und Fuß fehlen mag.
In den Einzelsitzungen dieses Seminars schienen mir die praktischen Bezüge, die Besipiele leicht von der Hand zu gehen - doch das übergeordnete Thema? Trash!? Ich weiß nicht so Recht, ob ich das kulturelle Phänomen Trash! an Hand der behandelten operativen Begriffe richtig erklären könnte.
Was nicht so cool war, war das Verfassen des Blogs. In meinem letzten „Blog-Seminar“ bildete sich eine regelrechte Blog-Community und ständig blinkte der RSS-Feed. Bei meinen jetzigen Besuchen auf den Blog-Seiten anderer Seminarteilnehmer, waren diese überwiegend so spärlich gefüllt wie mein eigener :-( Woran das lag, kann ich auch für mich selbst gar nicht genau sagen.
Ja, und dann diese Hausarbeit ... Meine erste…aber das ist ein anderes Kapitel…
Aber man wird ja doch immer sentimental, wenn man die ausgeliehenen Bücher zurück in die Bibliothek bringt, die Seminarunterlagen in einen Ordner packt und den (mit Ansätzen, Gedankenfetzen, interessanten Artikeln und Fotos zu einem Thema ‚vermüllten’) Desktop aufräumt. :’-(

Sonntag, 30. September 2007

Phoebe Washburn

ist eine junge Amerikanische Künstlerin, welche berühmt dadurch wurde, dass Sie scheinbar wertlose Gegenstände sammelte um diese in der Kunst zu recyceln. In ihren Installationen entstehen aus Pappkartons, Holzplanken und Glasflaschen riesige Rauminstallationen, welche sie ebenso riesigen Themen widmet: Nachhaltigkeit, Umweltschutz oder eben Recycling.

Für die Deutsche Guggenheim hat sie nun ein weiteres Projekt verwirklicht. Auf einem Förderband, wie es sonst nur in einer großen Industriehalle zu finden ist, hat sie Gras angebaut. Vom Samen über verschiedene Stadien des Wachstums bis zur Vertrocknung auf dem Dach des Guggenheims kann so ein Zyklus des Entstehens und Vergehens beobachtet werden.

Das besondere daran ist, dass dieser Vorgang in der Natur lediglich in einer zeitlichen Abfolge zu betrachten ist. In Phoebe Washburns Installation können alle Stadien der Existenz des Grases gleichzeitig betrachtet werden. Auch das vertrocknende oder vertrocknete Gras wird ausgestellt. [1]


In jenem Moment in dem das Gras vertrocknet ist, kann man es mit Abfall vergleichen. Abfall befindet sich für gewöhnlich immer in einer Sphäre des Verborgenen. Auf der Mülldeponie, im Abfalleimer oder im Weltall. Erstmals dass auch dem Abfall in seiner reinen, nicht recycelten Form ein Platz geschaffen wird.

Aus vertrocknetem Gras wird Erde. Nahrung für neue Samen. Die Natur kann sich selbst recyceln. Wir Menschen müssen unseren Müll verstecken bis wir ihm neuen Wert geben, ihn recyceln - in der Kunst zum Beispiel.


Bildquellen:

[1] Portrait von Phoebe Wasburn http://www.db-artmag.de//2006/7/d/1/491.php [27.09.2007]

Spam II

Michael Thompson der Autor von Mülltheorie – Über die Schaffung und Vernichtung von Werten spricht davon, dass Güter im Idealfall ewig halten und ihr Wert im Lauf der Zeit zunehme[1]. Diese Güter ordnet Thompson in die Kategorie des „Dauerhaften“[2] ein.
Nebst dieser Kategorie allerdings führt er auch die Rubriken „Vergängliches“[3] und „Müll“[4] ein. Diese drei klassifizierenden Ordnungen entsprächen einem „dynamische[n] Kategoriensystem“[5], welches „Produktions- und Konsumtionsprozesse“[6] verknüpfe.
Daher sei es auch möglich, dass Objekte ihre Kategorie wechselten. Er räumt ein, dass es eine tatsächlich dauerhafte Kategorie unter physischen Gesichtspunkten natürlich nicht existieren könne, so müssten Dinge nur lange genug existieren um in diese eingeordnet zu werden.
Allerdings seien die Gegenstände der Kategorie „Dauerhaft“ diejenigen, welche einen besonders hohen ökonomischen Wert besäßen. Hinzukommend vermutlich auch dadurch, dass sie während ihrer langen ‚Lebensdauer’ eine metaphysische Aufladung erhielten.
Produziert werde also für die Kategorie des „Vergänglichen“. Insofern ein Produkt diese Kategorie ‚überlebe’, so könne es in die Klassifizierung des „Dauerhaften“ aufsteigen – alles andere sei „Müll“.
Aber gibt es nicht auch Dinge welche direkt für die Kategorie „Müll“ produziert werden? Verpackungen, der Konstanzer Anzeiger oder Chinesisches Plastikspielzeug beispielsweise. Sicherlich, auch hierbei gibt es Ausnahmen: Menschen die Verpackungen sammeln oder daraus Kunstwerke basteln, Menschen die den Konstanzer Anzeiger lesen und Kinder die mit Chinesischem Plastikspielzeug spielen müssen. Gesetz dies sei tatsächlich der Fall, so lehrt das dynamische Modell, werden diese Güter auch nicht für die Kategorie „Müll“, sondern (in der Wahrnehmung eines Individuums) für die Kategorie „Vergängliches“ produziert und haben dann wiederum die Möglichkeit aufzusteigen in die Kategorie des „Dauerhaften“.
Auf meiner Suche nach einem geeigneten Beispiel der Kategorie „Müll“ stoße ich auf 340 ungelesene e-mails. Unzählige Russische Frauen, die mich kennenlernen wollen schreiben mir, Kasinobetreiber des Royal Casinos (wo auch immer das sein möge) bieten mir Rabatte und unbeschreibliche Gewinnchancen, Menschen, welche sich über meinen Besuch gefreut haben danken mir und Kanadische Pharmazeuten bieten mir Blaue Pillen an – damit auch mein Penis endlich wieder Spaß im Bett hat.
Ich bin zu tiefst entzückt und freue mich über so viele nette Freunde auf der ganzen Welt. Nein, nicht wirklich! Viel mehr ärgere ich mich, dass der web-account der Universität Konstanz nicht über die Funktion „alle löschen“ verfügt und ich somit jede e-mail einzeln markieren muss, um diese zu löschen.


Sind diese mails nicht ein Produkt der Kategorie „Müll“ und werden Sie nicht auch für genau diese produziert? Oder gibt es tatsächlich Personen, die Kanadische Pharmazeutika auf Grund einer e-mail eines ihnen nicht bekannten Verfassers bestellen? Und was ist eigentlich das besondere an Kanadischer Pharmazeutika?
Ich bezweifle, dass es all die angepriesenen Produkte und Personen tatsächlich gibt, was auch die Kategorisierung dieser erschwerte. (Leider habe ich mich nicht getraut, diese Frage einer Verifizierung zu unterziehen, denn vielleicht sitzt ja tatsächlich ein hübsches Mädchen in Smolensk, welches nur auf meinen Anruf wartet?!)
Doch welche Rolle nimmt Müll ein, der Bestandteil eines Produktes ist, das es gar nicht gibt? Eine Farce. Der Geist eines nicht vorhandenen Objekts. Als könne man im Supermarkt Packungen kaufen, die keinen Inhalt besäßen. Dosen Berliner Luft verkaufen sich ausgezeichnet an Berliner Souvenirständen. Doch besitzen diese Blechdosen, wenn auch keinen Fassbaren, einen symbolischen Inhalt. Diese Dosen sind nicht leer.
Wenn diese mails allerdings tatsächlich keinem der Realität referierendem Objekt zugehörig sind, können sie dann Müll sein? Oder können sie nur Müll sein, insofern es die ganzen Blauen Pillen tatsächlich gibt?
Ich denke, dass Müll lediglich als (für ein Individuum) unbrauchbares Nebenprodukt eines wahrhaftigen Objekts bestehen kann, ansonsten wird selbst zum Gegenstand einer anderen Kategorie.
Verweist das nicht auf die Sinnlosigkeit dieses Modells? Liegt es nicht immer im Auge des Betrachters, was „Müll“ ist und es„reinen Müll“ gar nicht gibt? Dinge können nicht für die Kategorie "Müll" produziert werden, sie können als Abfallprodukt in Erscheinung treten oder ihren (an die Wertung eines Individuums geknüpften) vergänglichen Wert verlieren, um somit zu "Müll" zu werden. Ebenso wie Objekte des "Dauerhaften" nur aus der Kategorie des "Vergänglichen" resultieren können. Thompsons Modell kann also nicht nur, sondern ist immer dynamisch. Denn auf seiner Dynamik beruht die Existenz der Kategorie "Müll". Wohingegen die Kategorie des "Dauerhaften" eine überwiegend zeitliche Dimension besitzt.
Es geht hierbei nicht um eine objektive Kategorisierung. Thompsons Modell ist lediglich ein Konsenz des gesellschaftlich Vereinbarten. Die letzte Entscheidungsgewalt trägt der Einzelne und macht seine persönliche Kategorisierung auf Grund einer metaphysischen Aufladung der Gegenstände.
Es soll ja schließlich Menschen geben die den Konstanzer Anzeiger lesen und wiederum solche, die Blaue Pillen kaufen.


[1] Michael Thompson, Mülltheorie – Über die Schaffung und Vernichtung von Werten (Essen: Klartext-Verlag, 2003), S. 123
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] Ebd.
[5] Ebd.
[6] Ebd.

Spam I



[1]http://www.protonkiller.de/assets/images/Trash_ja.gif [27.09.2007]

Trash Film

Um meine vorangegangene Aussage der gesellschaftlich vereinbarten dritten Ebene zu untermauern: Bei Arte gibts jetzt auch Trash! Nein, sie bringen nicht die Wiederholungen von Vera am Mittag, sondern haben speziell als "Trash-Filme" ausgewiesene Filme in ihr Programm genommen.
"Mit schrillen, bunten, frechen, provokativen, oft schnell und billig produzierten Werken wagt sich ARTE ab Januar 2007 immer donnerstags auf ein im Fernsehen noch relativ unerforschtes Terrain und zeigt Filme der besonderen Art, mit Science Fiction, Horror, Erotik, Gewalt, aber auch schrägem Humor, Satire und Nonsense." [1]

Na dann, gute Unterhaltung!

[1] http://www.arte.tv/de/film/kino-auf-ARTE/Trash-Filme/1121074.html [26.09.2007]

Prima Geschmack?

Franziska Roller hat in „Trash Couture“ festgelegt was guter und was schlechter Geschmack ist und wer die Menschen sind, die ihn besitzen und welche nicht.
Auf einer ersten Ebene gebe es Personen, der vermeintlichen Unterschicht, die Gefallen an all jenen Kulturprodukten besäßen, welches ihnen Amüsement und Freuden bereite. Diese besäßen einen „Notwendigkeitsgeschmack“[1], fänden Gefallen an allem was Gemütlichkeit und Wohlbefinden hervorrufe, unabhängig von einer „intellektuelle[n] Auseinandersetzung mit Ästhetik“[2].
Auf einer zweiten Ebene sei da ein Personenkreis zu nennen, welcher all das liebe, von dem gesellschaftlich vereinbart worden sei, dass es hochwertig und gehaltvoll sei. Die eigene finanzielle Begrenztheit werde durch Arroganz ausgeglichen und die finanzielle Unbegrenztheit der Anderen als „Angebereie[] kulturloser Neureicher“[3] abgetan.
In einer letzten Gruppe befänden sich Menschen, die über den bürgerlichen Bildungskanon genau bescheid wüssten, es jedoch als Freude empfänden gegen die Regeln des guten Geschmacks zu verstoßen. Trotz dessen, dass sich diese Menschen in keiner Kongruenz mit den bürgerlichen Geschmacksidealen befänden und deren Lebensvorstellungen als ihnen zu wider empfänden, behielten sie deren Verhaltensmuster bezogen auf den Umgang mit Kulturgütern bei. Sie „wenden […] die erlernten Kriterien aus der Ebene zwei einfach für Dinge an, die normalerweise aus diesen Bewertungskriterien ausgeschlossen werden.“[4] Der wahre Genuss stelle sich für diese Personen in jenem Moment ein, in dem sie eine „Diskrepanz“[5] zwischen den eigenen Vorstellungen dessen was schön sei und jenen des gesellschaftlich / bürgerlich vereinbarten auftue.
Doch der Geschmack an Kulturprodukten und Lebensstilen der dritten Ebene schockiert nicht wirklich, denn er funktioniert nur in seiner nicht völligen Loslösung des gesellschaftlich Vereinbarten, was ihm zum Verhängnis wird, da er nichts wirklich Neues hervorbringt, sondern nur schon da gewesenes rekontextualisiert und recycelt. Dieser Geschmack ist immer auch mit Selbstdarstellung verbunden. Der eigene erhabene Geschmack der dritten Ebene wirkt nur als solcher, in Abgrenzung zum Anderen.
Diese Menschen mögen vermutlich orangene Hosen zu türkisen Pullovern und gelben Schals tragen. Doch werden sie auch darauf bedacht sein müssen, dass ihr Wissen über das gesellschaftlich vereinbarte offensichtlich wird und ihre Kleidungswahl nicht dem Anschein der Zufälligkeit unterliegt. Indem die Materialien der Kleidung beispielsweise einen besonders hohen Wert haben oder indem Einzelstücke angesehener Marken kombiniert werden mit No-Name Produkten oder denen von Discount-Kleidungsgeschäften.

Es muss immer eine Rekontextualisierung stattfinden, die sich den Produkten der ersten und des Understatements der zweiten Kategorie bedient. Marcel Duchamps „La Fontaine“ funktionierte nur im musealen Kontext. Im Museum einer Einrichtung des Bürgertums fand der industriell gefertigte Gebrauchsgegenstand der Toilettenschüssel seinen neuen Platz.
Doch es tut sich keine Diskrepanz dieser dekonstruktivistischen Verhaltensweisen und denen des Bürgerlichen mehr auf, da auch diese mittlerweile gesellschaftlich vereinbart wurden. Pinke Hirschgeweihe sind in jedem gut sortiertem Kaufhaus käuflich zu erwerben. Geschmäcker und Lebensvorstellungen schockieren nur solange sie neu und vermeintlich avantgardistisch sind. Doch Postmoderne ist irgendwie auch vorbei. Es müssen nicht noch mehr Barbie-Köpfe auf Holzbretter genagelt werden.
Auch wenn Franziska Roller ihre Kategorisierung von der „vielzitierte[n] postmoderne[n] Beliebigkeit“ abgrenzen möchte, so mag, was sie beschreibt sicherlich nicht beliebig – doch eindeutig postmodern sein.


[1] Franziska Roller, Trash Couture in: dies: Abba, Barbie, Cordsamthosen, Ein Wegweiser zum prima Geschmack (Leipzig: Reclam, 1997) S.198
[2] Ebd.
[3] Ebd. S.199
[4] Ebd. S.200
[5] Ebd.

Bildnachweis:
[1]Marcel Duchamp "La Fontaine" http://www.ac-nantes.fr:8080/peda/disc/arts/artsplastiques/image/images/duchamp.jpg [27.09.2007]